Über 21 Milliarden Euro* sollen Deutsche Unternehmen 2019 für Werbung ausgegeben haben. Ob diese enorme Summe tatsächlich sinnvoll investiert wurde, ist strittig. Denn fest steht, Kunden und Verbraucher stehen klassischem Marketing vermehrt skeptisch gegenüber.
DER MARKETING-MOTOR STOTTERT
Werbung ist inzwischen zunächst schlichtweg omnipräsent. War es früher noch möglich, ungestört durchs Netz zu surfen, wird der eigentliche Content einer Seite heute von Anzeigen und Werbelinks fast schon verschluckt. Werbeblöcke im Fernsehen dauern gefühlt länger als die Sendung, die sie unterbrechen; im Kino ist es mittlerweile ein Leichtes, den Eimer Popcorn zu leeren, bis der Hauptfilm endlich beginnt; eine Wochenzeitschrift ist ohne Werbebeilagen und Anzeigenseiten nur noch halb so dick.
Kein Wunder also, dass Menschen sich durch Reklame inzwischen eher belästigt fühlen, sie bestenfalls einfach ausblenden, schlimmstenfalls sogar mit Ablehnung darauf reagieren.
Hinzu kommt ein hohes Maß an Mistrauen, mit dem Kunden großen Konzernen immer öfter gegenüberstehen. Nachrichten über Verbrauchertäuschung, Skandale und Korruption verbreiten sich dank der neuen Medien schneller und weiter als jemals zuvor. Viele Unternehmen, die bis vor kurzem noch einen exzellenten Ruf besaßen, stehen heute mit einer nicht mehr ganz so weißen Weste da.
Sei es der Dieselskandal, Fälle von geplanter Obsoleszenz aus der Elektronikbranche oder immer neue Mogelpackungen von Seiten der Lebensmittelindustrie – Menschen bekommen zunehmend den Eindruck, dass viele Firmen immer öfter an hohen Renditen statt an zufriedenen Kunden interessiert sind.
Zuletzt ist das World Wide Web nicht ganz unschuldig an diese Situation. Natürlich sorgt es dafür, dass Transaktionen aller Art schneller, komfortabler und globaler vonstattengehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch verantwortlich für eine gewisse Entfremdung zwischen Anbieter und Kunden. Wenn ein Geschäft mit nur ein paar E-Mails abgewickelt wird, bleibt die Persönlichkeit schnell auf der Strecke, eine Beziehung oder gar langfristige Bindung zwischen den Parteien kommt so nicht zustande.
Die Zeiten, in denen ein Kunde den Händler/Anbieter/Handwerker seines Vertrauens aufsuchen kann, scheinen vorbei zu sein. Dabei sehnen sich viele Menschen genau danach, doch Verlässlichkeit, Service und Authentizität scheinen in unserer schnelllebigen Welt ein immer rareres Gut zu werden. Aggressive Werbung, schnelle Verkäufe und ein aalglattes Profil ohne Ecken und Kanten führen bestenfalls noch zu einer kurzfristigen Umsatzsteigerung. So lässt sich noch das Lager eines Teppichhauses leeren; für nachhaltigen Erfolg, zufriedene Kunden, die gerne wiederkommen und ein Profil, auf das ein Unternehmen mit Recht stolz sein kann, taugen sie nur bedingt.
ZEIT, DAS RUDER ZU DREHEN
Marketingstrategien müssen für langfristigen Erfolg also neu gedacht werden. Im Vordergrund stehen dabei nicht unbedingt Produkte, sondern vor allem Ihre Unternehmenswerte, das Verhältnis zu ihren Kunden und Ihr persönliches Profil. Denn wenn es Ihnen gelingt, einen direkten Draht zu anderen Menschen herzustellen, diese von Wert und Qualität Ihrer Arbeit überzeugen können und sich nicht zuletzt als Firma präsentieren, die das Vertrauen ihrer Partner wert ist, kommen neue Kunden und mehr Umsatz ganz von alleine. Wir von acht ideen nennen dieses Prinzip werteorientiertes Marketing, Beziehungsmarketing oder einfach LOVEMARK.
LANGFRISTIGE BINDUNG
Die besten Beziehungen im Leben sind jene, die lange halten. Das gilt selbstverständlich auch für den geschäftlichen Bereich. Eine erfolgreiche Marketingstrategie setzt daher nicht einfach auf den schnellen Geschäftsabschluss, sondern immer auf nachhaltige Kundenbindung. Denn wer sich auch nach dem Abschluss um seine Kundschaft bemüht, bewegt diese nicht nur zur Widerkehr, sondern auch zur Weiterempfehlung. Ein wenig Aufmerksamkeit wird so schnell zum Multiplikator und bildet die Grundlage für eine jahrelange vertrauensvolle Geschäftsbeziehung.
ORIENTIERUNG AN BEDÜRFNISSEN
Für die Bilanz mag es kurzzeitig erfreulich sein, dem Kunden das teuerste Produkt angedreht zu haben. Echter Erfolg allerdings stellt sich nur ein, wenn ein Käufer genau das bekommt, was er wirklich braucht. Was das genau ist, weiß er vielleicht selbst noch nicht; gutes Zuhören ist daher wie in jeder gesunden Beziehung Pflicht. Wer sich übervorteilt fühlt, der kehrt nicht wieder, wer zufrieden nach Hause geht, ganz bestimmt.
VISION EINER GEMEINSAMEN ZUKUNFT
Zusammen Pläne schmieden ist das Geheimnis einer erfolgreichen Beziehung. Im Geschäftsleben bedeutet das, immer die nächsten gemeinsamen Schritte anzusprechen; wie immer dieses auch aussehen mag. Denn durch diese schlichte Geste weiß das Gegenüber sich in guten Händen und ist schneller bereit, sich langfristig an ein Unternehmen zu binden.
MARKENERLEBNISSE SCHAFFEN
Beziehungen leben auf Dauer immer von jenen Momenten, die gemeinsam erlebt wurden. Gleiches gilt für eine Marke oder ein Produkt – und zwar vom ersten Eindruck an. Schon nach einem kurzen Blick auf Logo oder Webseite, bereits bei der ersten Begegnung werden Emotionen geweckt. Und da Menschen mit möglichst vielen Sinnen Erfahrungen machen möchten, führt ein echtes Markenerlebnis oft sogar noch ein paar Schritte weiter: Vom Video bis hin zum Kundenevent ist alles denkbar. Hauptsache, es gibt etwas zu erleben.
ERWARTUNGEN ÜBERTREFFEN
Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft und wer seinen Partner ab und zu überrascht, führt eine bessere Beziehung. Für Unternehmen bedeutet dies, immer wieder den Extrameter zu gehen, einfach mehr zu bieten als die Marktbegleiter oder den Kunden schlicht mit einer kleinen Aufmerksamkeit zu verblüffen. So bleiben starke Erinnerungen, positive Assoziationen und vor allem begeisterte Menschen.
AUTHENTISCH BLEIBEN
Ehrlichkeit ist der Grundpfeiler jeder erfolgreichen Beziehung – ganz besonders in der zu den eigenen Kunden. Denn die merken schnell, wenn ihnen etwas vorgespielt wird. Wer sich windet und herausredet, kommt nicht gut an. Ein Unternehmen allerdings, das sich stets offen und fair zeigt, echte Leidenschaft besitzt und vielleicht auch mal einen Fehler eingestehen kann, bekommt ein ganz besonderes Profil. Denn so ein Unternehmen wird geschätzt und vor allem wiedererkannt.
EIN NEUES KUNDENBILD
Beziehungsmarketing begreift seine Klientel also völlig neu und bezieht sich dabei gleichzeitig auf alte, längst verloren geglaubte Werte: Ein Kunde ist nicht einfach nur Konsument und wandelnde Brieftasche, sondern ein Partner, der Respekt und Wertschätzung verdient. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Wie gehen Unternehmen, die nach unterschiedlichen Marketingstrategien agieren, mit den persönlichen Daten ihrer Kunden um?
PUSH-MARKETING
Im Push-Marketing versucht eine Firma um jeden Preis an Adressen und Telefonnummern von möglichst vielen Menschen zu gelangen. Dafür ist so gut wie jedes Mittel recht, seien es Gewinnspiele, unseriöse Lockangebote, vermeintliche Gratisdownloads und der Ankauf von Adressdatenbanken. Danach wird auf Teufel komm raus Werbung verschickt, ob der Empfänger nun zur Zielgruppe gehört oder nicht. Denn wer genug Schrot in die Luft schießt, wird schon eine Taube treffen. Zuletzt werden die gesammelten Daten auch gerne weiterverkauft. Informationen sind schließlich Kapital.
PULL-MARKETING
Auch im Pull-Marketing freut man sich über persönliche Daten. Diese werden von den Kunden allerdings freiwillig und meist mit gutem Grund herausgegeben, beispielsweise bei einer Bestellung oder einfach, weil er Unternehmen oder Produkt schätzen gelernt hat. Werbung wird trotzdem gerne verschickt; häufig in Form von Newslettern oder Mailings. Die Idee hier ist, dass ein Kunde, der schon einmal was gekauft hat, vielleicht Lust auf eine neue Transaktion bekommt. Das ist zwar Grundsätzlich nicht verkehrt, läuft aber immer Gefahr, dem Empfänger Informationen zukommen zu lassen, die ihn überhaupt nicht interessieren.
BEZIEHUNGSMARKETING
Im Beziehungsmarketing werden persönliche Daten nur erhoben, wenn dies auch wirklich nötig ist. Dass diese unter so gut wie keinen Umständen weitergegeben werden, ist dabei selbstverständlich. Falls es doch einmal notwendig werden sollte, eine dritte Partei zu involvieren, wird dies vorher immer persönlich mit dem jeweiligen Kunden abgeklärt. Schließlich würde auch niemand mir nichts dir nichts einem Unbekannten auf der Straße die Telefonnummer seiner besten Freundin anvertrauen.
Werbung wird ebenfalls nicht nach dem Gießkannenprinzip verschickt. Informationen zu neuen Produkten, Dienstleistungen oder Aktionen werden nur versandt, wenn sicher ist, dass sie für den Empfänger tatsächlich von Interesse sind. Genau wie man einem Freund gegenüber eben nur eine Empfehlung ausspricht, wenn er darum bittet oder man sich sicher ist, dass er sich brennend für eine Information interessiert. Ansonsten dienen E-Mail-Adresse und Postanschrift ausschließlich für Aufmerksamkeiten wie Geburtstagskarten oder einem Weihnachtsgruß.
Unternehmen, die Beziehungsmarketing in die Tat umsetzen, sehen sich langfristig einer erfolgreichen Zukunft gegenüber. Sie heben sich ab vom Einheitsbrei der Konkurrenz, binden ihre Kunden über viele Jahre und bieten ihnen gleichzeitig einen echten Mehrwert und vor allem das Gefühl, auch als Mensch geschätzt zu werden.
Dabei lässt sich das Prinzip LOVEMARK nicht nur auf die Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden anwenden. Auch das Verhältnis zu Geschäftspartnern oder zur eigenen Belegschaft kann durch eine Prise Persönlichkeit und einen Schuss Liebenswürdigkeit auf eine bessere und vertrauensvollere Ebene gehoben werden.
Die Geschäftswelt wird gerne als hart bezeichnet und in einem gewissen Maß trifft das sicherlich noch zu. Allerdings setzt in immer mehr Köpfen ein Umdenken ein – weg von einer inhumanen Wirtschaft, hin zu mehr Gerechtigkeit und besseren zwischenmenschlichen Verhältnissen. Beziehungsmarketing trägt dem Rechnung und ist damit einer der zukunftsweisendsten Wege, Werbung zu gestalten.
Sie möchten gerne selbst bewerten, wo Sie und Ihr Unternehmen beim Thema Lovemark stehen? Dann machen Sie die Selbsteinschätzung:
Februar 2020